Archive For The “Nachlese” Category

Innere und äußere Bilder, die betroffen machen

 


Das Leben Bernward Hollemanns war ein bewegtes und facettenreiches. Der internationale Not- und Entwicklungshelfer kam im Auftrag der Schweizer Regierung und der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH), sowie für die EU und UN als Berater nach Pyongyang, nachdem der Mangel im Land Ende der 90er Jahre so groß geworden war, dass es die internationale Gemeinschaft um Hilfe bitten musste. Statt des geplanten einen lebte und arbeitete der gelernte Agrar- und Wasserbauingenieur fünf Jahre im Reich des Diktators Kim Jong II.

 

Hollemanns Nordkoreavortrag im Alten Wasserwerk stieß auf reges Publikumsinteresse. Seine Ausführungen enthielten eine Flut von Informationen und persönlichen Eindrücken; innere und äußere Bilder, die betroffen machten. Ein von Kriegen gezeichnetes Land, das Jahrhunderte lang unter dem Einfluss benachbarter Großmächte wie China und Japan stand. Ein Land, das heute wie ein Gefängnis mit 24 Millionen hungernden Insassen anmutet: kontrolliert, reglementiert und überwacht von einem Militär, dem es an nichts fehlt. Kinder, die bereits im Alter von drei bis vier Jahren fernab ihrer Familie der staatlichen Gehirnwäsche unterzogen werden und sich entweder zur gedrillten Elite entwickeln oder schon im jüngsten Alter Arbeit auf den Feldern verrichten müssen. Kinder, die die gesellschaftliche Revolution im Sinne der nordkoreanischen Führung eingebläut bekommen und dem Machthaber in ständiger Demut ewige Treue schwören müssen. – Hierzulande nicht ganz unbekannt.

 

Hinter den ängstlich versteinerten Gesichtern finden sich menschliche Seiten, wie man sie in jeder, auch noch so unterdrückten Gesellschaft findet: die sprichwörtliche Kinderliebe der Koreaner etwa oder ihre Hilfsbereitschaft. Und natürlich der sehnsüchtige Wunsch nach Wiedervereinigung mit dem Süden. Nach Meinung Hollemanns dürfte es sieben Jahre dauern, bis Nord- und Südkorea – nach einer Übergangszeit, in der Russland und China im Norden investieren und die Amerikaner sich aus dem Süden zurückziehen müssten – wieder zusammengewachsen sein könnten. – Sag niemals nie.

 

Text und Foto: Hans-Jürgen Niemann

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„Squish“ verzauberte sein Publikum

Irish Folk zum St. Patrick’s Day


 

Nicht nur, dass das Alte Wasserwerk beim Folkkonzert der hannoverschen Szeneband „Squish“ am St. Patrick’s Day aus den Nähten zu platzen drohte. Nach Angaben der Vorverkaufsstellen war das Publikumsinteresse im Vorfeld so groß, dass es für drei ausverkaufte Konzerte locker hätte reichen können. Die Irish Folk-Szene erfreut sich wachsender Beliebtheit, und mit der Einladung von „Squish“ landete der Kulturbrunnen einen regelrechten Glückstreffer: Astrid Heldmaier, Michael Möllers, Reiner Köhler und Tönnies Suits bereichern seit Jahren die hannoversche Folk-Szene und boten nun auch im Alten Wasserwerk ein grandioses Konzert.

 

„Squish“ zeigte sich toppräsent und fesselnd vom ersten Ton an. So erreichten die glücklichen Besitzer einer Eintrittskarte aus dem Stand Betriebstemperatur, denn keiner im Publikum vermochte sich der überschäumenden Energie der Jigs, Reels, Polkas und Hornpipes länger als einen Wimpernschlag zu entziehen. Die Performance der Band kam völlig unangestrengt, passgenau und traumwandlerisch herüber, sowohl im hochvirtuosen Unisonospiel der Melodie-Instrumente als auch in den vielfältigen Rhythmen und exzellenten Akzentuierungen von Gitarre und Bodhrán. Doch die irische Seele ist in gleicher Weise feinsinnig und gemütvoll, was besonders die Interpretation von Loreena McKennitts Liebeslied auf Irland, „Come by the Hills“, eindrucksvoll bewies. In anrührender und poetischer Weise schildert es die landschaftlichen Schönheiten der Grünen Insel und lässt jede Strophe mit einem lebensphilosophischen Ansatz enden: „And cares of tomorrow must wait till this day is done“ – die Sorgen von morgen müssen warten, bis dieser Tag gelebt ist.

 

Und das galt allemal für die Dauer dieses hinreißenden Konzerts.

 

 
Text und Fotos: Hans-Jürgen Niemann
 

 

 

 

 

 

 

 

 

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„Yannik Nouveau, Niese & Timo Brülls“ und das Duo „freiMinute“ im Alten Wasserwerk

Der erste Set des Konzerts hatte etwas Sessionhaftes. Aber man war ja schließlich „unter Freunden“, wie es William Niese formulierte, und so herrschte auch Wohlwollen im gut besetzten Wasserwerk, wenn es im Zusammenspiel des Trios einmal nicht harmonierte. Mit Yannik Nouveau, Niese und Timo Brülls hatten sich unterschiedliche musikalische Charaktere zusammengefunden, was sich für ein eher spontanes Zusammenwirken nicht immer als hilfreich erweist. Es bleiben also die nicht minder wichtigen individuellen Stärken der Musiker: hier geriet das hochvirtuose, bravourös akzentuierte RAV Drum-Solo unter den Händen von Timo Brülls zum Highlight, denn genau hier entstand jener musikalische „Flow“, der sich auf das Publikum übertrug, hier führten interessante dynamische Entwicklungen zum Musikerlebnis. Auch Yannik Nouveau sorgte mit seinen bewegenden Songtexten, seiner charakteristischen Stimme und Intensität wiederholt für Begeisterung im Saal.

 

„Musik ist einfach alles im Leben“, dieser philosophische Ansatz der Sängerin Arwen Schweitzer und des Gitarristen Vitalij Engbrecht scheint ihrem Lebensgefühl überzeugend zugrunde zu liegen, was im Übrigen auch der hervorragende musikalische Eindruck unterstreicht, den sie beim Publikum im zweiten Set des Abends hinterlassen haben. Das Duo entstammt der mehrköpfigen Band „freiMinute“. Arrangements größerer Besetzungen einem Duo mit nur einem Begleitinstrument anzupassen, gehört zu den eher schwierigeren Herausforderungen und setzt Versiertheit beim Instrumentalisten voraus.

 

Vitalij Engbrecht erwies sich als Meister der Gitarre und dem großartigen Gesang Arwen Schweitzers ebenbürtig. Die Bandbreite seiner Gitarrenbegleitung schien unerschöpflich, ob perkussiv oder dem Harfenklang Andreas Vollenweiders ähnelnd, ob per Fingerpicking oder Tapping, ob mit Flageoletttönen oder erweiterter Harmonik angereichert. Immer in Bewegung und immer im Blickkontakt mit Arwen Schweitzer, deren Gesang stimmgewaltig, charmant und natürlich ist. Das Vibrato setzt sie gezielt und angenehm unaufdringlich ein. Ihr warmes Timbre bewältigt mühelos Höhen und Tiefen, geht souverän mit Registerwechseln um. Ihre Vitalij gewidmete Komposition „Vogelfrei“ scheint mit dem Wechsel zwischen 3/4+5/4 Takt und Walking Bass symptomatisch für die Klasse der Songs von „freiMinute“ zu sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Text und Fotos: Hans-Jürgen Niemann

 

 

 

 

 

 

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„Trio REMEMBER“ verzaubert sein Publikum im Alten Wasserwerk

Es muss nicht immer Action sein…

 

Das Konzert „Trio REMEMBERs“ verlief, wie Feten – heute Parties – in den 60er/70er-Jahren zumeist endeten: man hatte sich musikalisch-tänzerisch ausgepowert und gab sich, wenn der Morgen graute, einem beschaulicheren Lebensgefühl hin – die Hard Rocker mal ausgenommen. Bisweilen befand sich in jener Zeit ein mehr oder weniger langhaariger Barde unter den Gästen, der zufällig seine Gitarre dabei hatte und für ein sentimentales Finale des Zusammenseins sorgte.

 

„Trio REMEMBER“ hebt mit seinen Songs die helle Seite einer verworrenen Zeit hervor – zweier Dekaden mit Doris Day, Rock Hudson, Frank Sinatra oder den Bee Gees auf der einen, mit Vietnam-Krieg, Rassenproblemen oder Protestsongs nicht nur beim Woodstock-Festival auf der anderen Seite.

 

„Dieser Song ist wie ein Gebet“, so empfand wohl nicht nur John Denvers erste Frau Annie Martell das ihr 1974 gewidmete Lied „Annie’s Song (You Fill Up My Senses)“ aus der Feder ihres Mannes. Es symbolisierte auch das Programm von „Trio REMEMBER“ im Alten Wasserwerk. Charlott Krüger, Rainer Fricke und Stefan Trhal ließen mit ihrer musikalischen Perfektion, ihrer angenehmen Zurückgelehntheit und stilsicheren Anmoderationen den Funken schnell überspringen. Auch sonst passte alles: das Ambiente, das Publikum, die Stimmung. „Morning of my Life“: so mancher konnte dem Morgen seines Lebens beflügelt nachsinnen, das war deutlich zu spüren. Und irgendwann steigerte sich das heimliche Mitsummen und –brummen im Konzertraum zum beseelten Liedgesang, ob bei „Aux Champs Elysées“ von Joe Dassin oder „Country Roads“ von John Denver – und hier schließt sich der Kreis.

 

 

Text und Fotos: Hans-Jürgen Niemann

 

 

 

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