Frieda & Matti im alten Wasserwerk


Zwischen virtuoser Wortgewalt und Scat-Gesang


Algermissen Schubladendenken strukturiert das Leben. Alles sauber in Kategorien abgelegt, ein Griff und man findet sie – die Antwort. Doch manches passt in keine Schublade. Wie etwa der Liederabend von „Frieda & Matti“ im alten Wasserwerk. Obwohl: so ganz stimmt das nicht, denn die Texte aus der Feder von Frieda Grube konfrontieren den Zuhörer mit seiner eigenen Gefühlswelt, sprechen ihm aus der Seele, halten ihm den Spiegel vor. Und so rieb auch er, der Zuhörer im alten Wasserwerk, sich ein ums andere Mal staunend das Kinn: “Besser hätte ich es nicht formulieren können“.

In der Tat. Die Liedtexte der Berlinerin sind ausdrucksstark, kommen natürlich und unangestrengt herüber, auch stimmlich. Texte einer Frau, die nicht wegschaut, sich berühren lässt, sich augenscheinlich nicht mit Halbwahrheiten abfinden will. „Bei positiven Liedern ist die Fallhöhe zu gering“, begründet Frieda Grube ihre vorwiegend nachdenklichen, gesellschaftskritischen Lieder. „Wir haben geredet, endlich geredet. Das war mal wichtig … Man merkt, man liebt sich, der Rest, der zählt nicht“ – zumindest ein Happy End. Das Lied „Die kleinen Dinge“ erzählt vom zumeist unbemerkten kleinen Glück: dem Spaziergang im Wald, dem Entspannen in der Badewanne: „Glück fängt ganz unten an … die sind so klein, die Dinge, dass man’s fast nicht merken kann“.

Das Tempo der Lieder musste bisweilen behutsam angezählt werden, damit das Duo nicht Gefahr lief, angesichts der hohen Frequenz an Silben pro Sekunde im Mittelteil aus der Kurve getragen zu werden. Der in der Regel zweistimmige Gesang war perfekt intoniert und interessant gesetzt. Matti Müllers großer Stimmumfang ließ es zu, sich scheinbar unangestrengt zwischen Bass und Alt zu bewegen. Mit seinem virtuosen, differenzierten Gitarrenspiel quer durch gängige Stilrichtungen ließ der Hildesheimer weder Bass noch Schlagzeug vermissen. Auch für die Vertonung der Texte zeichnet sich Matti Müller verantwortlich, was ihm melodisch wie harmonisch vortrefflich gelungen ist – eben nichts aus der Schublade.

Text: Hans-Jürgen Niemann Fotos: Thorsten Schröter