Stimmungsvoller Liederabend im Alten Wasserwerk

Julia Schönleiter und Dietmar Gessner brillierten vor großem Publikum

 
Algermissen Dichtung und Wahrheit liegen manchmal weit auseinander. Das betrifft die mit Superlativen übersäte Werbung für Verbrauchsgüter ebenso wie Offerten im Kulturbereich. Das macht dem interessierten Konzertgänger die Entscheidung für oder gegen einen Konzertbesuch nicht unbedingt leichter. Diejenigen allerdings, die sich zum Liederabend von Julia Schönleiter und Dietmar Gessner auf den Weg ins Alte Wasserwerk gemacht hatten, erfuhren dort ein Live-Erlebnis, das wohl die meisten Erwartungen übertraf.
 
Der rote Faden des Abends: „Ohne Musik ist alles nix“. Er war spürbar vom ersten bis zum letzten Ton. Über die exzellente Performance der Künstler hinaus unterstrich das Konzert auch die Bedeutung programmatischer Texte, also die gekonnte Verschmelzung von Musik und Lyrik. Texte etwa, die eigene Gedanken, Gefühle und Sehsüchte kunstvoller formulieren, als man es selbst vermag – „Wenn all das, was vor dir liegt auf einmal ’nen Sinn ergibt, dann scheint durch die Dunkelheit am Ende das Licht“, aus dem Lied „Du bist das Licht“. Sozialkritisch: „The Town I Loved So Well“, ein Song des Iren Phil Coulter aus dem Jahr 1973, der sich mit dem Nordirland-Konflikt auseinandersetzt und zunächst das einfache, aber glückliche Leben in den Arbeitervierteln von Derry beschreibt, jener Stadt, die, wie die letzten Strophen dann dramatisch beschreiben, durch den blutigen Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken in die Knie gezwungen wurde – „To see how a town could be brought to its knees“.
 
Julia Schönleiter beherrscht die diversen Genres und Stimmlagen gleichermaßen brillant, beeindruckt darüber hinaus mit stimmlicher Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit, der sie sich u.a. bei Édith Piafs „La Vie en Rose“ oder bei „Red ist the Rose“ mit einem an Joan Baez erinnernden Timbre bedient. Als angenehm unaufgeregter und professioneller Begleiter wies sich Dietmar Gessner aus, engagiert und perfekt im Zusammenspiel, seinem Gitarrenklang stets nachsinnend. Zur positiven Bilanz eines großartigen Liederabends passte dann am Ende die Zeile „Good night and joy be to you all“ aus Ed Sheerans Song „The Parting Glass“, ebenfalls eine Art „Ode an die Freude“.
 
 
Text: Hans-Jürgen Niemann | Fotos: Thorsten Schröter