Flüchtlinge kochen Spezialitäten ihrer Heimat im alten Wasserwerk

Ein kulinarisches Märchen wie aus Tausendundeiner Nacht


21.08.2015 Noch lange nachdem es in Algermissen geheißen hatte, eine Gans sei „zu viel für einen allein und zu wenig für zwei“, pflegte die Hausfrau im Vorfeld größerer Festlichkeiten hinter der Küchentür zu verschwinden und sich dann einige Zeit nicht blicken zu lassen. „Do not disturb – bitte nicht stören“, war dann ungeschriebenes Gesetz für den Rest der Familie. Aber das ist Vergangenheit. Mittlerweile erlebt man hierzulande kochende Männer nicht nur im Fernsehen sondern auch im wahren Leben.

Auf Einladung der Frauenkochgruppe des Algermissener Kulturbrunnens wollten nun zehn junge Männer, Flüchtlinge aus afrikanischen Kriegsgebieten, im alten Wasserwerk repräsentative Gerichte ihrer Heimat zubereiten. „Wie wird es wohl werden?“ Diese Frage stand Petra Schröter vom Vorstand buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Schließlich liegen Schicksal und Gelingen einer solchen Aktion nicht nur in den Händen der Gastgeber.

Im Vorfeld hatte die Idee nur vage im Raum gestanden: „Kochen mit Flüchtlingen“. Emotionsgesteuert: ein kleines Zeichen setzen und mit ihnen, den Flüchtlingen, einen gemeinsamen Schritt auf ihrem langen Weg der Integration tun: „a step every day“ – frei nach Joe Cocker. Dann nahm diese Idee konkretere Formen an, und schließlich stand der Einkauf der Lebensmittel an. Der allerdings drohte trotz akribischer Vorbereitung irgendwann aus dem Ruder zu laufen, wäre da nicht ein türkischer Lebensmittelhändler gewesen, selbst Koch und glücklicherweise des Arabischen mächtig. Am Ende standen gefühlte zweieinhalb Meter Plastiktüten an der Kasse – jeglichem Umweltgewissen zum Trotz -, eine jede gefüllt mit speziellen exotischen Zutaten.

„Arabisches Reiterfleisch mit Reis“ zergeht schon beim Hören der Worte auf der Zunge – zumindest bei Nicht-Vegetariern. Punkt 18 Uhr begann in der Küche des alten Wasserwerks ein buntes Treiben – ein Miteinander, kein Durcheinander, friedlich und fröhlich wie unter Freunden, engagiert und lautstark wie auf einem Basar. Und so machten sich allmählich Gerüche breit, herrührend beispielsweise von Speisen wie Falafel, Tabuleh oder Kanafeh. Wer Süßes bevorzugte, konnte sich u.a. auf den Syrischen Zitronenkuchen freuen. Nach knapp drei Stunden war „angerichtet“, und die exotischen kulinarischen Zaubereien konnten im Garten serviert werden. Sie schmeckten köstlich und interessant, und am Ende wurde unter einem zauberhaften Sternenhimmel den Köchen für diese brillante Demonstration ihrer Kochkünste gebührend Respekt gezollt und gedankt.

„Ich habe am Freitagabend nur glückliche Gesichter gesehen … genial.“

„Manche Menschen sind Engel, manche davon wissen es gar nicht“ (Wolfgang J. Reus)

Die Feinabstimmung der Integration von Flüchtlingen findet im Kleinen auf privater Ebene statt, dort, wo Menschen sich berühren lassen und aktiv werden. „Kochen mit Flüchtlingen“ wäre kaum vorstellbar gewesen ohne das außergewöhnliche Engagement zweier Frauen, die eine im SOFA, die andere im Algermissener Kulturbrunnen, vereint bei diesem Koch-Event im alten Wasserwerk. Natürlich stand am nächsten Tag bereits die nächste Aktion mit Flüchtlingen an: Sightseeing in Hannover.

Hans-Jürgen Niemann